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Mutter, wo übernachtet die Sprache?
Mutter, wo übernachtet die Sprache? 14 Porträts mehrsprachiger Autorinnen und Autoren in der Schweiz, Limmat Verlag, 2010.

4ème - Inhalt - Vorwort / Préface, (Francesco Micieli)

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Il y a un peu plus de dix ans, Limmat Verlag faisait paraître sous le titre  Küsse und eilige Rosen  la première anthologie de littérature issue de l'immigration en Suisse. L'éditeur zurichois posait avec ce petit ouvrage une pierre angulaire dans la perception des littératures helvétiques. Depuis, quelques auteurs immigrés ont émergé avec force, qu'ils s'expriment dans la langue de leur pays d'origine à l'image du Mikhail Chichkine, ou dans la langue du pays d'accueil, comme Marius Daniel Popescu ou Melinda Nadj Abonji, premier auteur suisse primé par le prestigieux Prix du livre allemand.

Les Editions Limmat poursuivent leur exploration sous un autre angle dans le récent  Mutter, wo übernachtet die Sprache? . Ce n'est pas le statut d'immigré qui rassemble les auteurs de cette nouvelle anthologie, mais leur bilinguisme actif. Francesco Micieli, auteur alémanique d'origine italo-albanaise, en signe la préface, que Culturactif.ch  vous propose dans sa version allemande originale aussi bien qu'en traduction française. 

 

  Mutter, wo übernachtet die Sprache?

Mutter, wo übernachtet die Sprache? 14 Porträts mehrsprachiger Autorinnen und Autoren in der SchweizDie Schweiz ist ein Eldorado der Mehrsprachigkeit. Das zeigt sich immer deutlicher auch in der Literatur. Viele Autorinnen und Autoren schreiben nicht mehr nur in einer Sprache. Sie greifen zurück auf eine zweite, die ebenso eng mit ihrem Leben verknüpft ist, und publizieren zweisprachige Lyrik, Romane, Geschichten. Oder sie schreiben in einer Landessprache und übersetzen Texte aus ihrer Muttersprache. Oder sie schreiben in ihrer Muttersprache und übersetzen Schweizer Texte. Permanent wechseln diese Autorinnen und Autoren zwischen verschiedenen Sprachwelten hin und her. Ein Gewinn für sie? Eine harte Herausforderung? Die vierzehn Porträts fragen nach den Beweggründen, literarisch in zwei Sprachen zu arbeiten, und danach, was dieses Schreiben in zwei Sprachen für das Schreiben und die Sprache(n) selbst bedeutet.

Mutter, wo übernachtet die Sprache? 14 Porträts mehrsprachiger Autorinnen und Autoren in der Schweiz. Texte von Ursula Binggeli, Roland Maurer, Beat Mazenauer, Frank von Niederhäusern, Bruno Rauch, Charlotte Staehelin Stadler, Willi Wottreng und Karl Wüst Vorwort von Francesco Micieli, Limmat Verlag, 2010, ca. 150 Seiten, 14 Fotos.

 

  Inhalt


Die Sprache übernachtet in der Sprache
Vorwort von Francesco Micieli

Daniela Janjic Von Charlotte Staehelin
Marius Daniel Popescu Von Roland Maurer
Zsuzsanna Gahse Von Karl Wüst
Simon Froehling Von Bruno Rauch
André Vladimir Heiz Von Ursula Binggeli
Ingrid Lukas Von Frank von Niederhäusern
Yusuf Yes¸ilöz Von Karl Wüst
Leta Semadeni Von Bruno Rauch
Saïda Keller-Messahli Von Willi Wottreng
Dmitrij Gawrisch Von Charlotte Staehelin
Melinda Nadj Abonji Von Willi Wottreng
Arno Camenisch Von Beat Mazenauer
Wen-huei Chu Von Ursula Binggeli
Vincenzo Todisco Von Roland Maurer

Autorinnen, Autoren und Fotograf

 

  Vorwort / Préface, (Francesco Micieli)

Deutsch - Français

Die Sprache übernachtet in der Sprache

I
Wenn ich die hier veröffentlichten Porträts lese, wird mir mit aller Wucht klar: Mit den Menschen, die hier vorgestellt werden, möchte ich eine Sprachgemeinschaft gründen, eine Heimat des Herzens. Die Beziehung zum Nächsten würde über die Sprache stattfinden, genauer gesagt über die Sprachen. Hier würden wir uns, unsere Fremdheit und unsere Teilhabe entdecken.
                Der Ort der Sprache ist die Sprache, auch wenn wir diese in den Plural setzen. Die Sprache übernachtet in der Sprache.

II
Als ich sechsjährig war, verlor meine Grossmutter das alte italoalbanische Wort für Fenster, sie kannte nur noch das italienische Wort dafür (heute erinnere ich mich wieder, es war «finester» statt «dritësore»). Danach schaute sie nie mehr zu einem Fenster hinaus. Sie sass tagelang an der Türschwelle und wurde zur Hüterin der Bewegungen im Haus. Grossmutter hatte ihr Leben lang in nur einer Sprache gelebt. Alles andere war «latir», lateinisch.
                Mir wurde klar, dass man Wörter verlieren, aber auch, dass man neue finden kann. Damals ahnte ich noch nicht, dass ich sehr bald mit meinem kleinen italoalbanischen Wortschatz vor einem riesigen fremden Wortschatz stehen würde.

III
Meine Eltern holten mich in die Schweiz. Ich küsste meine Grossmutter und trug den von ihr geerbten kleinen Wortschatz über die Türschwelle.

IV
Eine Sprache spricht zu dir, nur verstehst du sie nicht. Du hörst sie dir an, immer wieder ganz genau, du schaust sie dir an, betrachtest sie, durchleuchtest sie, bis du nach ihr greifst, bis du begreifst. Und sie entwischt dir, wenn du denkst, dass du sie packen könntest.

V
Die Sprache ist der stärkste Trumpf. Um dich auszuschliessen, spricht man dich in unfertigen Sätzen an, sagt dir die Wörter auf die Weise falsch, wie man vermutet, dass du sie sagen würdest.
                Du hast eine handicapierte Sprache. Das sollte man dir an die Stirn tätowieren.
                Deswegen erahnen Fremde und Heimatlose, von einer Sprache betört, instinktiv ihre Gipfel und Grate und wollen diese erklimmen.

VI
Die Sprache oder die andere Sprache der in diesem Buch Porträtierten ist keine ausschliessende. Sie ist ein «und», denn eine Sprache sagt nicht, was eine andere «ist», noch drückt sie das Wahre der anderen aus; das «und» verbindet sie. Die erste Sprache und die zweite. Die Muttersprache und die Ankunftssprache, oder die vererbte Sprache und die Gastsprache. Das «und» verweist aber auch auf den Abstand. Die Trennung wird vereint. Die «sprachliche Migration» ist bei ihnen kein «ist» wie bei Menschen mit nur einer Sprache. Sie ist ein «und». Das «ist» kennt nur Antworten, das «und» Fragen.

VII
Für meine Eltern gab es kein «und». Es gab die Sprache des Mutterraumes, die auch die Sprache der Liebe und der Erzählungen war. Daneben gab es die Sprachen der Macht, der Befehle. Die Sprache, die sie kaum kannten und konnten. Das Italienische des Staates, der Juristen; das Berndeutsche der Fremdenhalter.
                Das «und», diese entfernte Nähe, entstand für sie nicht.
«Gott spricht Deutsch», sagte mir meine Mutter kurz vor ihrem Tod.

VIII
Adam durfte sich nur vor die Geschöpfe stellen und ihnen Gottes Namen geben. Die Schöpfung nachsprechen. Wie kleine Kinder es heute noch tun, oder eben wie Fremde, wenn sie die Sprache der Arbeitgeber lernen.
                Der erste Sprechakt war eine Auflehnung. «Iss den Apfel, Adam.»
                Die Strafe die Auswanderung und körperliche Schmerzen. «Du sollst mit Schmerzen Kinder gebären.»
                Später kam die sprachliche Bestrafung hinzu: Nix verstahn.

IX
Die fremde Sprache lässt dich glauben, dass du in einer Sprache zu Hause bist.

X
Babel lässt sich nur mit Sprache überwinden und mit dem Heiligen Geist, der an Pfingsten die Zungen löst, oder eben mit immerwährender sprachlicher Migration.

XI
Nicht alle hier versammelten Autorinnen und Autoren sind wie ich der Meinung, dass «wir sind, was unseren Grosseltern zugestossen ist» – das Zitat stammt von der amerikanischen Schriftstellerin Deborah Eisenberg – oder sind «Vergangenheitsbetrachterinnen» (ich bin es ganz bestimmt), wie Zsuzsanna Gahse sagt, aber alle betrachten die Sprache, die Wörter mit dem Wissen und Haben mindestens einer anderen Sprache. Es ist das ein anderes Betrachten als das eines Einsprachigen. Die Sprachen betrachten sich in der Sprache. Melinda Nadj Abonji, Arno Camenisch, Wen-huei Chu, Simon Froehling, Zsuzsanna Gahse, Dmitrij Gawrisch, André Vladimir Heiz, Daniela Janjic, Saïda Keller-Messahli, Ingrid Lukas, Marius Daniel Popescu, Leta Semadeni, Vincenzo Todisco, Yusuf Yes¸ilöz schenken uns eine besondere Vielstimmigkeit. Sie sind der Wind, der die Dinge zum Klingen bringt.

Francesco Micieli

***

La langue habite la langue

I
En lisant les portraits publiés dans cette revue, l'idée suivante me saute à l'esprit: j'aimerais fonder une communauté linguistique avec ceux qui sont présentés ici, une patrie de cœur. La relation à autrui s'y développerait par le biais du langage, ou, plus exactement, par celui des langues. Nous découvririons alors nous-même, avec nos singularités et nos ressemblances.
                Le pays de la langue est la langue, même si elle est mise au pluriel. La langue habite la langue.

II

Alors que j'avais six ans, ma grand-mère oublia l'ancien mot italo-albanais pour «fenêtre», elle ne connaissait que le mot italien (aujourd'hui je m'en souviens, il s'agissait de «finester» à la place de «dritësore»). Suite à ça, elle n'a plus jamais regardé par la fenêtre. Elle restait assise des jours entiers sur le seuil et devint la gardienne des mouvements de la maison. Grand-mère avait vécu sa vie durant dans une seule langue. Tout le reste était «latir», du latin.
                 Je me rendis compte qu'on pouvait perdre des mots mais également en trouver de nouveaux. A l'époque je ne me doutais pas encore que mon petit vocabulaire italo-albanais serait bientôt confronté à un immense vocabulaire étranger.

III
Mes parents m'ont fait venir en Suisse. J'ai embrassé ma grand-mère, franchissant le seuil en emportant le petit vocabulaire qu'elle m'avait légué.

IV
Une langue te parle mais tu ne la comprends pas. Tu l'écoutes encore et encore avec minutie, tu la regardes, tu la contemples, tu l'examines, jusqu'à ce que tu t'en saisisses et que tu la saisisses. Et elle te glisse entre les doigts quand tu penses la tenir.

V
La langue est l'atout majeur. Pour t'exclure, on te parle par phrases rudimentaires, employant les mots de manière inappropriée, comme on suppose que tu les dirais.
                Ta langue est handicapée. Il faudrait te le tatouer sur le front.
                C'est pourquoi les étrangers et les apatrides, percevant instinctivement les sommets et les crêtes d'une langue, se laissent envoûter et veulent les conquérir.

VI
La langue ou l'autre langue parlée par ceux dont ce recueil fait le portrait n'est pas une langue d'exclusion. Elle est un «et», car une langue ne dit pas ce qu'«est» une autre langue, ni quelle est sa vérité; ce «et» les associe. La première langue et la deuxième. La langue maternelle et la langue d'arrivée, ou la langue héritée et la langue d'accueil. Mais ce «et» appelle aussi une idée de distance. La séparation est unifiée. Pour eux, nulle certitude, nul «est» dans cette «migration linguistique», ce qui les distingue de ceux qui ne parlent qu'une langue. Elle est un «et». Le «est» donne les réponses, le «et» pose les questions.

VII
Pour mes parents, il n'y avait pas de «et». Il y avait la langue du giron maternel qui était aussi la langue de l'amour et de la narration. A côté, il y avait les langues du pouvoir, des ordres. Des langues qu'ils ne connaissaient et ne parlaient guère. L'italien de l'Etat et des juristes, le «berndütsch» des dresseurs d'étrangers.
                Le «et», cette distante proximité, leur était inaccessible.
«Dieu parle allemand» me dit ma mère peu avant sa mort.

VIII
Adam fut seulement autorisé à se mettre face aux créatures pour leur donner le nom de Dieu. Répéter la création. Comme répètent les petits enfants ou, justement, comme le font les étrangers qui apprennent la langue de l'employeur.
                Le premier acte de parole fut une rébellion. «Mange la pomme, Adam.»
                La sanction: exil et douleur. «Tu enfanteras dans la douleur.»
                Ensuite s'y ajouta la sanction linguistique: moi pas comprendre.

IX
La langue étrangère te fait croire que tu es chez toi dans une langue.

X
Babel ne se laisse dépasser qu'avec le langage et le Saint Esprit qui délie les langues à la Pentecôte, ou alors au moyen d'une migration linguistique perpétuelle.

XI
Les écrivains et écrivaines rassemblés ici ne partagent pas tous mon avis, «nous sommes ce qui est arrivé à nos grands-parents» (selon la citation de l'américaine Deborah Eisenberg), ou pensent - ce qui me décrit parfaitement - que nous sommes des «observatrices du passé», comme l'affirme Zsuzsanna Gahse; mais tous partagent un même savoir sur la langue et sur les mots, maîtrisant au moins une autre langue. Leur conception diffère donc de celle des personnes unilingues. Les langues se contemplent dans la langue. Melinda Nadj Abonji, Arno Camenisch, Wen-huei Chu, Simon Froehling, Zsuzsanna Gahse, Dmitrij Gawrisch, André Vladimir Heiz, Daniela Janjic, Saïda Keller-Messahli, Ingrid Lukas, Marius Daniel Popescu, Leta Semadeni, Vincenzo Todisco, Yusuf Yesilöz nous offrent une polyphonie particulière. Ils sont le vent qui fait sonner les choses.

Francesco Micieli

 

Page créée le 16.11.10
Dernière mise à jour le 16.11.10

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