Otto F. Walter:
Stationen seines Lebens

Otto F. Walter wurde am 5. Juni 1928 als jüngster Sohn neben acht Töchtern in Solothurn geboren; die Kindheit verbrachte er im ländlichen Rickenbach (Solothurn). Sein Vater war Durckereibesitzer, der aus einem Kleinbetrieb eine der renommiertesten Druck- und Verlagsbetriebe der Schweiz machte: den katholisch ausgerichteten Walter-Verlag in Olten. Der einzige Sohn war schon früh als Nachfolger des Vaters ausersehen. Deshalb wurde er auf die Klosterschule Engelberg geschickt ("ein Sperrbezirk ausschliesslich für Männer"), wo Walter aber nicht reüssierte. Er brach die Schule ab. Dafür trat er eine dreijährige Buchhändlerlehre in Zürich an und "absolvierte nun brav die Anfänge jener Karriere, die von mir erwartet wurde." 1944 verstarb der Vater. Nach ersten Arbeiten im väterlichen Verlag absolvierte Otto F. Walter ein Volontariat in einer Kölner Druckerei und bestritt Lektoriatsarbeiten für den Verleger Jakob Hegner, bevor er wieder zum Walter Verlag zurückkehrte. Verlagsbetrieb und Verlegerhandwerk hatte er nun von der Pike auf erlernt: vom Lageristen und Fakturisten führte der Weg bis zur Position des Vizedirektors und Mitbesitzers. 1952 heiratete er, drei Söhne kamen im Abstand von drei Jahren zur Welt. 1964 wurde die Ehe geschieden.

1956 übernahm Otto F. Walter im väterlichen Verlag die Leitung des literarischen Lektorats und baute engagiert und erfolgreich eine anspruchsvolle Programmlinie auf, die Ende der fünfziger Jahre den Walter-Verlag zu einer der besten, innovativsten Verlagsadressen machte. Autoren wie Alfred Andersch, Alexander Kluge, Helmut Heissenbüttel, Jörg Steiner, Peter Bichsel oder Kurt Marti wurden hier gedruckt - nicht aber Otto F. Walter selber. 1959 erschien sein Erstlingsroman "Der Stumme" im Münchner Kösel-Verlag, drei Jahre später folgte ebenda der Roman "Herr Tourel" und nochmals drei Jahre danach das Stück "Elio oder Eine fröhliche Gesellschaft". Vor allem die beiden Romane überzeugten die Kritik und erzielten eine ausgesprochen positive Resonanz.

In der Zwischenzeit spitzten sich jedoch die Probleme im Verlag zu. Walters progressives Programm fand trotz ausgeglichener Bilanz kaum Unterstützung weder in dem konservativen Unternehmen selbst noch bei seiner Familie. So kam es anlässlich der Publikation von Jandls "laut und luise" 1966 zum Bruch zwischen ihm und dem Verlag. Die literarische Produktion kam wegen dieses Verlusts merklich ins Stocken und hat sich seit her nie merh erholt.

Walter nutzte sein Talent anderswo: 1967 trat er als Leiter des literarischen und soziologischen Programms in den deutschen Luchterhand-Verlag ein. In dieser Funktion begründete er die "Sammlung Luchterhand", die 2001 eben erst wieder zu neuem Leben erweckt worden ist, woran der durch Otto F. Walter geschaffene Nimbus wesentlichen Anteil hat.

Zum Verlagsleiter aufgestiegen, verliess er 1973 jedoch den Verlag und kehrte wieder in die Schweiz zurück (nach Oberbipp, später wieder Solothurn), um sich vermehrt der Schriftstellerei zuzuwenden. Die Arbeit am Roman "Die ersten Unruhen", der 1972 beim Rowohlt Verlag erschien, hatte ihm deutlich gemacht, dass die Doppelbelastung auf Dauer nicht auszuhalten war. Den Übergang zum freien Autor hatte ihm der Luchterhand-Besitzer Eduard Reifferscheidt mit einem grosszügigen Herausgeber-Vertrag erleichtert.

So erschienen in regelmässigen Abständen im Rowohlt Verlag von Otto F. Walter Romane, die sich durch ihren leidenschaftlichen Gegenwartsbezug und ihre aktuelle Thematik auszeichneten: "Die Verwilderung" (1977), "Wie wird Beton zu Gras" (1979), "Das Staunen der Schlafwadler am Ende der Nacht" (1983). 1982 beendete er die Verlagsarbeit endgültig und widmete sich nurmehr der freien Schriftstellerei.

Stattdessen mischte sich Walter immer wieder in politische Diskussionen ein. Er, aktives Mitglied in der SP Schweiz, engagierte sich in der Anti-AKW-Bewegung, in der Friedensbewegung und rief 1986 mit andern die "Bewegung für eine offene, demokratische und solidarische Schweiz" (BODS) ins Leben. Eine Auswahl von Aufsätzen und Reden erschien 1988 unter dem Titel "Gegenwort" im Zürcher Limmat Verlag.

Auf literarischem Gebiet fungierte Walter als Mitbegründer der Autorenvereinigung "Gruppe Olten" (1969) sowie der Solothurner Literaturtage. Als Auszeichnungen wurden ihm 1959 der Charles Veillon-Preis, 1972 der Kulturpreis des Kantons Solothurn, 1977 der Buchpreis des Kantons Bern und 1980 der Literaturpreis des Südwestfunks zuteil.

Im Jahr 1980 begann Otto F. Walter seine Arbeit am umfangreichen Familien- und Epochenroman "Zeit des Fasans", der 1988 erschien. Dann wurde es etwas stiller um ihn. 1993 erschien nochmals eine Erzählung: "Die verlorene Geschichte", das leidenschaftliche Porträt eines Fremdenhassers. Das letzte Zeugnis für Otto F. Walters literarische Zeitgenossenschaft. 1994 erlag Otto F. Walter einer schweren Krankheit.

Beat Mazenauer

 

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