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Stefan Marcus Lehner

Notice biographique - Die Reise nach Allotria

  Notice biographique

Stefan Marcus Lehner, 1943 in Zermatt geboren, studierte Naturwissenschaften an der ETH Zürich und diplomierte als Biochemiker. Anschliessend wirkte er als Gymnasiallehrer für Chemie und als Leiter der Fachstelle für Stipendienwesen beim Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Ab 1979 arbeitete er beim Schweizer Fernsehen u.a. bei der "Rundschau", produzierte Reportagen und Dokumentarfilme mit Realsatire als Spezialität.

"Die Reise nach Allotria" ist sein erstes Buch. Arbeiten an weiteren Veröffentlichungen sind im Gang. Seit sechs Jahren ist er als selbständiger und freiberuflicher Medienschaffender tätig. Seine Einzelfirma trägt den Namen "Los Tamponolas".

(Dieser Artikel von Lothar Berchtold wurde mit Genehmigung der Redaktion "Walliser Bote" übernommen.)

 

  Die Reise nach Allotria

"Bald bin ich dort angelangt, wo ich eigentlich als Zwanzigjähriger sein wollte"

Macht und Freiheit, Kreativität und Wahrheit -lustvoll verpackt in Stefan Marcus Lehners "Die Reise nach Allotria"

"Ich will wissen, was Leben ist." Sagte sich vor Jahren ein junger Mann und studierte Naturwissenschaften. "Das Wissen um Naturgesetze alleine genügt nicht", stellte er einige Jahre später fest. Und der Gymnasiallehrer erblickte schliesslich das Scheinwerferlicht des Fernsehstudios. "Ein Ist-Zustand befriedigt auf die Dauer nicht", gestand er sich wiederum einige Jahre später ein. Der Mann liess Fernsehen und Leutschenbach hinter sich und wandte sich dem Schreiben zu.

"Ich bleibe ein Suchender"

"Endlich hole ich mich selber ein", dies der Satz, den besagter Mann jetzt seinem Buch-Erstling vorangestellt hat: "Die Reise nach Allotria" nennt sich die eine Groteske, geschrieben von Stefan Marcus Lehner, dem ehemaligen Lehrer und Fernsehmann.

"Bald bin ich dort angelangt, wo ich eigentlich als Zwanzigjähriger sein wollte", meint der Oberwalliser Autor. Und fügt sofort hinzu, dass er trotzdem "ein Suchender bleiben" werde.

Macht und Freiheit, Kreativität und Wahrheit - dies die Begriffe, die er in seiner Groteske auf lustvolle Art hinterfragt, um- und niedergeschrieben hat. Entstanden ist so ein Buch, das ebenso viel Lust wie auch Bedürfnis offenlegt: Lust am Erzählen, Bedürfnis zur Weitergabe. Und nicht zuletzt wartet dieses Buch mit einer guten Portion Zeitkritik auf -wenn man das Ganze auch zwischen den Zeilen liest.

Um was es in "Die Reise nach Allotria" geht, hier eine Kürzestzusammenfassung: Tricky John wirkt erfolgreich als TV-Journalist. Was ihm zur Belohnung eine Reise nach Allotria einbringt. Allotria, das bedeutet Traumziel für alle Kreativen. Doch auch auf Allotria gilt: Schein hat längst schon Sein ersetzt. Es menschelt also gehörig auf dieser Trauminsel. Was Tricky John schnell einmal an eigener Haut erfährt. Der Fernsehmann -als Macher stets mächtig- schliesst Bekanntschaft mit Ohnmacht. Erfährt, dass Kreativität "made in Allotria" keine Neugier verträgt. Was ihn in widrige Realitäten purzeln lässt. Für Tricky John geht es schnell einmal nur noch ums Entkommen aus totalitärer und korrupter Gesellschaft. Also ums nackte Überleben. Und damit ums Ankommen bei sich selbst.

Die Medien zeichnen sich in allererster Linie aus durch ihre Verlogenheit -ein erster Eindruck nach der Lektüre von "Allotria". Wahrheit ist nicht immer und überall wahr, oder Stefan Marcus Lehner? "Medienarbeit heisst heute stetes Auswählen. Was mit sich bringt, dass wir uns ‹Wahrheiten› vorgaukeln lassen. Kurz und bündig: Ich stelle fest, dass als Wahrheit verkauft, was als bloss Wahrgenommenes weitergegeben wird." Wahrnehmung ist subjektiv, also nie allgemeingültig? "Sicher. Unterstreicht zum Beispiel jemand seine Behauptung mit ‹ich hab das selbst im Fernsehen gesehen›, will er damit den Wahrheitsgehalt seiner Behauptung unterstreichen. Was allerdings nichts über wahr oder nicht wahr, sondern eben nur etwas über Wahrnehmung aussagt."

In "Allotria" beschrieben wird zum Beispiel ein Papstbesuch. Eine totale Inszenierung, selbstverständlich ohne echten Papst. Die Allotrianer haben trotzdem ihre helle Freude daran.

"Quer zur gängigen Logik denken ist kreativ"

Spass an Fälschung -eine Parallele zu unseren Zeiten? Dazu Stefan Marcus Lehner: "Es gehört doch zur Tragik unserer Zeit, dass Leute etwas nicht nur als Wahrheit auffassen, sondern diese ihre Wahrheit erst noch andern aufzwingen wollen. So treibt letztendlich Intoleranz ihre schlimmsten Blüten." Und was ist für Sie wahr? "Ich kann heute eingestehen, dass ich mir über dieses oder jenes nicht sicher bin." Agnostiker geworden? "Sagen wir dem einmal so: Es geht in diese Richtung."

Allotria verkörpert "Insel der Kreativität". Was hier jedoch Diktatur der Kreativen bedeutet. Weil Freiheit fehlt, Macht dirigiert, Diktatur regiert. Was hält denn Autor Stefan Marcus Lehner von jener "Kreativitäts-Wütigkeit", die durch unseren Zeitgeist rast und stolpert? "Sich selber auf die Schultern zu klopfen und sich gegenseitig zu Wichtigkeiten hinaufwürdigen -all dies gehört heutzutage zu jenen Eigenschaften, die auch in Kreativitäts-Zirkeln gang und gäbe sind. Was zur Folge hat, dass sich bloss im Kreise dreht, was vorwärts führen sollte." Was macht etwas denn kreativ? "Im Prinzip hat Kreativität etwas mit Lebensfähigkeit zu tun. Kreativ für mich ist, was neue Formen von Überlebenswillen mit sich bringt. Kreativ ist, wer anders als der Mainstream denkt. Also seinen Gedanken quer zur gängigen Logik freien Lauf lässt."

Und wo bleibt da das Element des Sinnlichen, das in Ihrem Buch immer wieder durchschimmert? "Das Kombinieren von Sinnen gehört zu Kreativität. Die dem Menschen gegebenen Sinne voll zu nutzen bildet Voraussetzung für Kreativität."

Unfreiheit macht Kreativität unmöglich -dies ein weiter Gedankengang in "Allotria". "Jedes geistige Korsett tötet Kreativität. Was mir denn auch jegliche Ideologie verdächtig und damit inakzeptabel macht", bringt Stefan Marcus Lehner seine Meinung auf den Punkt.

"Das Missionieren liegt mir nicht"

Doch macht Macht nicht frei? "Im Gegenteil, Macht engt Freiheit ein. Oder glauben Sie etwa, ein Spitzenmanager geniesse Freiheit? Auch diese Leute müssen doch funktionieren, haben eine gewisse Rolle zu spielen."

Entpuppt sich da Stefan Marcus Lehner nicht doch als Moralist und Missionar? "Um Gottes Willen, nur das nicht. Missionieren liegt mir ebensowenig wie der Gebrauch des moralinsauren Zeigefingers. Was mein Buch angeht, gilt die Devise: Nimm es, lies es und schau, ob es für dich stimmt."

Sich selbst bezeichnet Stefan Marcus Lehner als "Augenmensch". Was in seinem Buch denn auch zum Tragen kommt. Hier dominieren Bilder, hier hat ein Schriftsteller "in Bildern geschrieben". Was übrigens auch aus dem farbig-dynamischen Umschlag sowie der gesamten Buchgestaltung ersichtlich wird. Hatte der Autor dort seine Finger im Spiel? "Ich konnte bei der gesamten Gestaltung des Buches mitreden. Was für einen Autor wohl nicht selbstverständlich, aber um so erfreulicher ist."

In welcher Rolle sich der Autor denn eigentlich sieht? "Also ich bin beileibe nicht ein Schriftsteller, der sich im Leiden krümmt und sich über den schlimmen Gang der unseligen Zeiten beklagt. Ich habe schlicht und einfach Freude, Geschichten zu erzählen, Geschichten weiterzugeben."

Am kommenden Donnerstag abend geht nun die Buch-Vernissage von "Die Reise nach Allotria" über die Bühne. Nervös, Stefan Marcus Lehner?

"Sich ärgern tut gut"

"Nein, ich freue mich darauf. Hoffentlich kommen viele Leute. Der Anlass ist öffentlich, eingeladen sind alle: Freunde, Bekannte und selbstverständlich auch Neugierige." Und was erhoffen Sie sich von dieser Vernissage? "Ich warte mit Freuden auf Echos auf meine Arbeit. Ob positiv oder negativ -spielt keine Rolle. Weil ich weiss, dass mich nur Anregung und Kritik vorwärts bringen."

Und warum soll ich mir unter dem Riesenhaufen von literarischen Neuerscheinungen ausgerechnet "Die Reise nach Allotria" von Stefan Marcus Lehner herauspicken -dies eine mit Bosheit gespickte Schlussfrage an den Autor. "Eigenlob stinkt doch immer", lacht Stefan Marcus Lehner. Trotzdem -eine Antwort bitte: "Wenn's sein muss: Lies das Buch, komm mit auf die Reise nach Allotria, lass dich entführen in diese verrückte Stadt. Du wirst viel Unerwartetes erleben, wirst Spass haben, und falls dich etwas ärgern sollte -auch das tut gut. Du wirst etwas zu erzählen haben nach dieser Reise."

Lothar Berchtold

"Die Reise nach Allotria", eine Groteske von Stefan Marcus Lehner, 112 Seiten, erschienen beim Rotten Verlag, Visp.

 

Page créée le 01.08.98
Dernière mise à jour le 30.07.02

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